Sonntag, 20. Dezember 2015
Gedichte Manfred Kyber
Manfred Kyber

DER GEWEIHTE DES GRALES

Alle Tiere sind Geschöpfe Gottes –
bringe ihnen der Liebe Gral
und tilge von deiner entweihten Stirne
der Menschheit blutiges Kainsmal.

Alle sind deine Brüder und Schwestern,
mit dir in die Kette der Dinge gereiht.
Erst wenn das letzte Geschöpf befreit ist,
bist du, Befreier, selber befreit.

Über allem, was atmet, halte schirmend,
Geweihter des Grales, deinen Schild.
In allem, was atmet, bist du und dein Leben
und Gottes Ebenbild.



DIE TOTEN

Die Toten starben nicht. Es starb ihr Kleid.
Ihr Leib zerfiel, es lebt ihr Geist und Wille.
Vereinigt sind sie dir zu jeder Zeit
in deiner Seele tiefer Tempelstille.

In dir und ihnen ruht ein einiges Reich,
wo Tod und Leben Wechselworte tauschen.
In ihm kannst du, dem eigenen Denken gleich,
den stillen Stimmen deiner Toten lauschen.

Und reden kannst du, wie du einst getan,
zu deinen Toten lautlos deine Worte.
Unwandelbar ist unsres Geistes Bahn
und ewig offen steht des Todes Pforte.

Schlagt Brücken in euch zu der Toten Land,
die Toten bau’n mit euch am Bau der Erde.
Geht wissend mit den Toten Hand in Hand,
auf dass die ganze Welt vergeistigt werde.

MEDITATION

Wer mit den Augen der Andacht geschaut,
wie die Seele der Erde Kristalle baut,
wer die Flamme im keimenden Kern gesehn,
im Leben den Tod, Geburt im Vergehn –
wer in Menschen und Tieren den Bruder fand
und im Bruder den Bruder und Gott erkannt,
der feiert am Tische des Heiligen Gral
mit dem Heiland der Liebe das Abendmahl -
er sucht und findet, wie Gott es verhieß,
den Weg ins verlorene Paradies.

Alle Gedichte aus: "Genius astri"



Der Mensch ist bald vergessen - Achim von Arnim


Der Mensch ist bald vergessen
der Mensch vergißt so bald,
der Mensch hat nichts besessen,
er sterb´ jung oder alt.
Der Mensch ist bald vergessen,
nur Gott vergißt uns nicht,
hat unser Herz ermessen,
wenn es in Schmerzen bricht.
Wir steigen im Gebete
zu ihm wie aus dem Tod,
sein Hauch, der uns durchwehte,
tat unserm Herzen not.



Federico Garcia Lorca
Federico Garcia Lorca

“In dem gelben
Turm der Kirche
läutet eine Glocke.

Auf dem gelben
Winde öffnen
sich weit die Glockentöne.

In dem gelben
Turm der Kirche
höret auf die Glocke.

Der Wind macht aus dem Staube
verwehnde Silberbüge.”

Federico Garcia Lorca gehörte zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts.